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Manfred Schneider: Schizographie
Schizographie
(S. 115 – 130)

Thomas Trowards ›Edinburgh Lectures on Mental Science‹ und der Fall Sirhan

Manfred Schneider

Schizographie
Thomas Trowards ›Edinburgh Lectures on Mental Science‹ und der Fall Sirhan

PDF, 16 Seiten

Einen brisanten Sonderfall dieser Frage der nach der sozialen Verarbeitung von (militanter) Opposition behandelt Manfred Schneider in einer Darstellung des tödlichen Attentats auf Robert F. Kennedy im Juni 1968. Der Täter, Sirhan Sirhan, hatte sich auf diese Tat gezielt in einem mentalen Schreibtraining vorbereitet, indem er den Satz »Robert F. Kennedy must die« unzählige Male niederschrieb. Die psychotechnische Anweisungen hierzu entnahm er einschlägigen esoterischen Schriften wie Thomas Trowards 1909 veröffentlichten Edinburgh Lectures on Mental Science sowie einem Artikel des Rosicrucian Digest des Jahres 1968. Beide Anweisungen stehen in einem weiteren Kontext mit psychiatrischen und literarischen Konzepten des automatischen Schreibens, die seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Psychiater und Schriftsteller faszinieren. Seitdem werden unterschiedliche Formen des automatic writing und der »Schizographie« sowohl bei Psychiatrie-Patienten als auch bei prominenten Autoren wie Oskar Panizza und Antonin Artaud beobachtet. In diesen Dokumenten meldet sich ein paranoides Unbewusstes zu Wort, das metaphysische, technische und politische Macht als Eigenschaft von Automaten erlebt und durch Automatismus daran teilzuhaben begehrt.

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Manfred Schneider

Manfred Schneider

ist Professor für Ästhetik und literarische Medien (Neugermanistik II) an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. die Ästhetik, die Diskurstheorie, die Geschichte der Befragungen sowie die Kulturkritik. Neben seinem Wirken in Forschung und Lehre äußert er sich auch als Kritiker und Essayist im Hörfunk sowie in den Feuilletons verschiedener Tageszeitungen, so z.B. in der Frankfurter Rundschau und der Neuen Zürcher Zeitung.
 

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Stefan Rieger (Hg.), Manfred Schneider (Hg.): Selbstläufer / Leerläufer

Das 20. Jahrhundert steht im Zeichen der Regelung und ihrer Versprechen. Ob im Realen der Technik oder im Imaginären der Kultur, sie lässt kaum einen Bereich der Lebenswelt unberührt. Doch neben einfachen Formen geglückter Betriebsamkeit und neben reibungslosen Abläufen gibt es Fälle, die aus der Regelungsnormalität ausscheren – dann etwa, wenn sich Dinge ohne energetischen Aufwand verselbständigen oder ohne Bezug auf eine Referenz leerlaufen. Selbstläufer und Leerläufer sind somit nicht selten spektakuläre Einbrüche in der Ökonomie der Regelung. Gerade Selbstläufer und Leerläufer können den Status der kybernetischen Vernunft veranschaulichen. Das große Versprechen, das seit dem 20. Jahrhundert auf dem Regelungsparadigma wie eine Hypothek lastet, scheint immer weniger einlösbar. Die aktuellen Krisen bei Individuen und Banken, bei Autobauern und ganzen Volkswirtschaften machen deutlich, wie prekär es um die vermeintliche Synonymie von Vernunft und Regelung steht.