Vernissage, 25. April 2024, 18–21 Uhr
Ausstellungsdauer
26. April – 30. Juni 2024
Ein Künstler filmt das Werk eines anderen. Nimmt dessen skulpturale Spuren zum Ausgangspunkt eines phänomenologischen Essays, das im Besuch des fremden Werks Anlass zur Reflektion und Extension des eigenen findet. Manchmal will Etwas aus dem Blickfeld verschoben werden, als Etwas, das nicht mehr der Fall ist und nicht verfügbar sein soll.
Stefan Burger schreibt zum Anlass: »Ich bog ins Kempthal ab. Diesem wird historisch der Geruch konzentrierter Lebensmittel nachgesagt. So fand ich zwischen Aromagiganten, Fleischalternativen und einer Autopoliererei, versteckt über einer Eventküche: das verschachtelte, skulpturale Werk Jso Maeders. In diesem Umfeld verdichteter Stoffe (Maggi), raffinierter und nicht greifbarer Potentiale (Givaudan) sowie psychosozialer Maschinen (Oldtimer) installierte ich Jsos eingespeicherten Anlagen in einer temporären Aufstellung und versuchte mit der Kamera dessen hybriden Kammern widerzuspiegeln. Die filmische Abtastung suchte sich ihren Weg durchs Gelände, durch die Dimensionen, durch die Schichtungen hindurch, zog vorbei an Undurchsichtigem, überflog das Unzugängliche und spurte sich ein in die Kerbe der Säge. Begegnete dabei den verschiedensten (un)durchlässigen Vorrichtungen, antriebähnlichen Modulen, sabbernden Säcken, subkutan gelagerten Bedeutungen, verwüsteten Spielfeldern, sterkoralen Typen und sich plusternden Architekturen. Sich in vollständiger Blindheit den eigenen Puls fühlen. Wie gingen nochmal die Regeln, die zur Verwüstung des Spielfelds beigetragen haben? Das Potential weist uns die Richtung. Fluctuat nec mergitur; und so werden wir nicht untergehen, denn wir sind parat für die Selbstrettung im Wasser. Wir haben sie geübt.«
Anschnitt Jso Maeder (Videostill)
HD-Video, 8 min 40, Ton
Burgers Kunst hat sich in den letzten Jahren verstärkt in die Zwischenräume und Spannungsfelder hineinbewegt, die von der Gegenständlichkeit eines banalisierten Alltages ausgehen: Simulakra und Poesie, Oberfläche und Bedeutungsebenen, die dicht darunter lauern, verlorene Form und historische Bedeutung (wie der oben in Latein zitierte Wahlspruch der Stadt Paris des Baron Haussmann von 1853). Der Anlass mag in seinen Fotografien, Filmen und Installationen marginal sein oder zufällig scheinen, die präzise Transformation des Gegenstandes, dem er sich annähert, führt zu einer Dinglichkeit, die schwebende Leichtigkeit mit den Abgründen des zu Sehenden kollidieren lässt.
Jso Maeder schreibt in einer E-Mail zur Kollaboration (und spricht dabei sowohl über das eigene wie das Werk von Stefan Burger): »Derlei Andenken bildet sich gegenständlich ab, obschon es dem Gegen_Stand selbst, der fallweise als Etwas bestimmt wurde, im Grunde unwesentlich ist. Er bleibt als solcher ab- oder ausgeschieden, in seinen Eigenschaften irgendartig und fremd, gleichsam verlorene Form, Gestalt.
Sichtweise in sprachlicher Unter- und Entscheidung, assoziative Verknüpfung; Oberfläche, Signalement oder Andenken in Wörtern oder Namen.
Eine Prozedur der Verfremdung, Aussetzung, um dieses Etwas aus der Passivität und Wiederholbarkeit in der Schematik von Informationen herauszulösen: Camouflage als operative Negation von Merkmalen, als Ent_Setzung – une rose n’est pas une rose, n’est pas une rose, n’est pas une rose... Wie zur Wahrung, zur Wahrnehmung im Reiz – Etwas bleibt in der Schwebe, lässt sich nicht einer Sichtweise gemäss einbeziehen oder verdingen. Spiegelungseffekt statt Spiegelbilder, Spielraum der Inkongruenz.«
Das Spiel mit der Oberfläche ist bei Anschnitt Jso Maeder ein Wortspiel mit Fallhöhe. Ein Tanz des bewegten Bildes am Rande des Vulkans. Die Turnenden, die manchmal über die Filmebene huschen, Schatten eines semiotischen Echoraumes. Die Grenzen einer Sprache, die nach Wittgenstein die Grenzen einer Welt bedeuten, werden ins Nicht-ganz-Auslotbare verschoben, verschwimmen und legen die Konturen eines Kunstwerkes frei, die über das Sag- und Zeigbare hinausweisen. Durch die Ausweitung der Spielräume, das respektvolle, ja liebevolle Begehen der Oberflächen des Fremden, findet Burger zum Inneren des Eigenen.
Espace DIAPHANES Zürich
Löwenbräukunst, Ebene A
Limmatstrasse 270
Öffnungszeiten
Montag – Freitag 8 – 20h
Samstag / Sonntag 10 – 18h