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Maurizio Lazzarato, Angela Melitopoulos: Maschinischer Animismus
Maschinischer Animismus
(S. 279 – 287)

Maurizio Lazzarato, Angela Melitopoulos

Maschinischer Animismus

Übersetzt von Wilfried Prantner

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In ihrem zuerst 2010 erschienen Essay »Machinic Animism« untersuchen Lazzarato und Melitopoulos die Möglichkeitsräume, die Animismus für die Produktion nichtkapitalistischer Formen von Subjektivität eröffnet. Kapitalistische Gesellschaften sind durch eine Überbewertung des Subjekts auf der einen und eine Verarmung der Komponenten von Subjektivität auf der anderen Seite charakterisiert. In enger Anlehnung an Félix Guattaris Auseinandersetzung mit dem Animismus führen Melitopoulos und Lazzarato dagegen eine animistisch-materialistische Konzeption ins Feld, die es ermöglicht, Subjektivität von Subjekt, Person und Mensch zu lösen. Indem Melitopoulos und Lazzarato Animismus mit Deleuze und Guattari »maschinisch« verstehen, positionieren sie ihn gegen Anthropozentrismus, Anthropomorphismus und Idealismus. So adressiert und überwindet ein »maschinischer Animismus« auch die in der Animismus-Debatte zentrale Unterscheidung zwischen Belebtem und Unbelebtem. Animismus kann so nicht nur aus evolutionären, sondern auch aus vitalistischen Diskursen herausgelöst und in den breiteren Kontext von Produktionsformen des gegenwärtigen Kapitalismus gestellt werden, wodurch der Begriff eine explizit politische Dimension gewinnt.

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Maurizio Lazzarato

ist Soziologe und Philosoph und lebt heute in Paris. In den 1970er Jahren studierte Lazzarato in Padua. Sein Engagement in der operaistischen Bewegung und sein politisch erzwungener Wegzug nach Paris blieben entscheidend für seine theoretischen Arbeiten ebenso wie für seine filmischen Kollaborationen mit der Künstlerin Angela Melitopoulos. In den 1990er Jahren gehörte Lazzarato zu den Mitbegründern des post-operaistischen Diskurses um den Wandel zur ›immateriellen‹ und ›kognitiven‹ Arbeit als Paradigma der post-fordistischen Gesellschaften des Westens. Seine Aufsätze sind in zahlreichen Anthologien zur poststrukturalistischen Philosophie erschienen ebenso wie in Sammelbänden zu politischen und ökonomischen Theorien der Gegenwart. In den 1990er und 2000er Jahren war er Redaktionsmitglied der Pariser Zeitschriften Futur Antérieur und Multitudes.

Weitere Texte von Maurizio Lazzarato bei DIAPHANES

Angela Melitopoulos

ist Künstlerin und Mitglied verschiedener politischer Netzwerke in Paris, Italien, der Türkei und Deutschland. Seit 1985 werden ihre Arbeiten auf internationalen Filmfestivals, in Ausstellungen und Museen gezeigt. Melitopoulos lehrt an verschiedenen internationalen akademischen Institutionen, derzeit ist sie Gastprofessorin an der UdK Berlin.

Weitere Texte von Angela Melitopoulos bei DIAPHANES
Irene Albers (Hg.), Anselm Franke (Hg.): Animismus (alte Auflage)

Der »Animismus« ist eine Erfindung der Ethnologie des 19. Jahrhunderts, geprägt auf dem Höhepunkt des europäischen Kolonialismus. Animisten bevölkern die unbelebte Natur mit Seelen und Geistern. Das erklärt man als eine die materielle Realität verkennende »Projektion«, durch die den Dingen und der Natur Leben und Handlungsmacht zugeschrieben wird. Animismus wird so zum Gegenbild moderner Wissenschaft, zum Ausdruck eines »Naturzustands«, in dem Psyche und Natur als ungeschieden gelten. Wenn sich letzthin ein neues Interesse am Animismus herausgebildet hat, liegt das nicht daran, dass der Begriff als wissenschaftliche Kategorie rehabilitiert wurde. Vielmehr ist die kategorische Trennung von subjektiver und objektiver Welt selbst in Bewegung geraten. Der Band versammelt zentrale Texte dieser Debatte, die hier erstmals einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden.