Der Märtyrer ist in diesem Fall eine Märtyrerin: Die 22jährige Vibia Perpetua, honeste nata, liberaliter instituta, matronaliter nupta – aus vornehmem Haus, klassisch gebildet und standesgemäß verheiratet – wurde, nach ordentlicher Gerichtsverhandlung unter Vorsitz des Prokurators Hilarianus, an den Geburtstags-Spielen zu Ehren des Sohnes des Kaisers Septimius Severus – es war der 7. März 203 – in der Arena von Karthago den Tieren vorgeworfen.
Einige Wochen zuvor war Perpetua zusammen mit einer Gruppe junger Christen, allesamt Katuchemenen – solche, die auf ihre Taufe vorbereitet werden – verhaftet worden, darunter die hochschwangere Felicitas. Perpetua ihrerseits ist Mutter eines Säuglings, den sie auch im Gefängnis stillt. Die Gruppe wird noch während der Kerkerhaft getauft. Saturus, der die Gruppe christlich unterwiesen hatte, stellt sich freiwillig den Behörden, um mit den übrigen zusammen zu sterben. Die Ehemänner von Felicitas und Perpetua werden mit keinem Wort erwähnt.
Überlieferung und Autorisierung
Der Text ist ungewöhnlich verschachtelt. Einleitung und Schluss stammen aus der Hand eines unbekannten Augenzeugen. Der größere Mittelteil enthält Aufzeichnungen der Perpetua, die im Gefängnis eine Art Tagebuch schreibt. Es folgt eine Vision von Saturus, ebenfalls von ihm selbst aufgezeichnet. Danach übernimmt wieder der Augenzeuge den Bericht, in Vollstreckung des letzten Willens der Perpetua. Am Schluss nennt er die Berichte »exempla in aedificationem ecclesiae« (Exempel zur Befestigung der Gemeinde). Am Anfang ist von »fidei exempla« die Rede. Die Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis soll, so will es der Erzähler, als lectio während der Liturgie verwendet werden: Im Hören sollen die Ereignisse vergegenwärtigt werden (repräsentatio rerum), um die Gemeinschaft mit den Märtyrern und durch diese (per illos) die communio mit Christus zu konstituieren. Die Märtyrer fungieren mithin als Medien der Kommunion mit Jesus. Nun weiß der Erzähler, dass die Ereignisse und Visionen, die er als testimonia überliefert, neuesten Datums sind; doch zumeist wird nur dasjenige als Autorität und Zeugnis angenommen, was alt ist. Er argumentiert, dass am Ende der Zeit (in ultima saeculi) die Gesichte und Träume zunehmen würden, so dass gerade auf die jüngsten Bezeugungen zu achten sei, denn sie seien ein Zeichen für das nahende Weltende. Darauf stützt sich die These, dass die Passio Perpetuae der Sekte der Montanisten zuzurechnen ist, die eine extreme Askese, Weltabkehr und ein nahes Weltende predigten. Die Zuordnung des Textes zu den Montanisten, obwohl nicht zweifelsfrei zu widerlegen, wird heute kaum noch vertreten. Immerhin ist Perpetua schnell der katholischen Orthodoxie und den anerkannten Heiligen eingemeindet worden. Da wäre es unziemlich, diesen einmaligen Text – es gibt kein...